Vor einiger Zeit
habe ich schon einmal an der Blogparade von trainyabrain teilgenommen. Auch im
September gibt es wieder eine und zwar zum Thema "Wie klärst du dein Kind auf?".
Da das im letzten
dreiviertel Jahr bei uns ein riesen Thema war, habe ich beschlossen, mal wieder
meinen Senf dazu zu geben.
Mein Sohn ist im
besten "Warum-ist-das-so?"-Alter und als ich schwanger wurde, da
kamen natürlich die Fragen auf. Wo ist das Baby? Wie kam es da rein? Wie kommt
es da raus? Und warum das ganze?
Und schon mussten
wir uns Gedanken darüber machen, wie man ein Kind im Kindergartenalter nun über
das aufklärt, was sich in unserer Familie gerade eben ändert.
Doch was sollten
Kinder in dem Alter schon wissen? Was ist kindgerecht? Und wenn nicht jetzt,
wann dann?
Ich überlegte, wie
es bei mir als Kind zuhause war. Wir wussten schon recht früh woher die Kinder
kommen und auch, wie sie entstehen. Es wurde nie irgendetwas verniedlicht oder
umschrieben, sondern immer beim Namen genannt.
Der Penis war der
Penis und die Scheide war die Scheide. Bei uns gab es nie einen Pipi,
Pillermann, Schniedl, eine Mumu oder Lulu und was für schöne Worte es noch für
die Geschlechtsteile so gibt.
Das handhabten wir
auch bei unserem Sohn bereits von Anfang an so.
Ich unterhielt mich
mit meiner Mama darüber, wie sie uns aufgeklärt hat, was wir als Kind wann
wussten und wie viel vielleicht auch zu viel ist.
Ich wurde
aufgeklärt, als meine Mutter mit meinem Bruder schwanger war. Damals war ich
knapp zwei Jahre alt. Ich wusste das Kind wächst im Bauch meiner Mutter. Es ist
durch die Scheide hinein und wird auch durch diese wieder heraus kommen. Wie
genau das Kind nun in den Bauch kam, erfuhr ich erst später.
Also entschieden wir
uns dazu ehrlich zu sein. Wir sprachen unseren Sohn nicht explizit darauf an
oder führten geplant Gespräche mit ihm. Sondern wir warteten einfach ab.
Schon recht bald
nachdem er wusste, dass wir ein Baby bekommen, wollte er wissen wo es genau
wächst. Ich zeigte ihm die Stelle meines Bauches wo das Baby zu dem Zeitpunkt
in etwa war.
Und dann kamen die
Fragen.
Manchmal viele auf
einmal. Manchmal nur eine einzelne ganz plötzlich.
Über Monate der
Schwangerschaft wuchs nicht nur mein Bauch, sondern auch das Wissen meines
Sohnes darüber, wie es darin aussieht und warum das so ist.
Ich versuchte all
seine Fragen so zu beantworten, dass er es auch verstand. Einfach und ehrlich.
Er wusste schon
recht bald, dass ein Baby aus zwei Zellen entsteht. Eine Eizelle, die in meinem
Bauch wohnt und eine Samenzelle, die Papa in meinen Bauch bringen musste. Er
wusste, dass sich die Zellen treffen und verschmelzen. Dass sie sich teilen und
wachsen. Dass ein Baby anfangs ganz seltsam aussieht und dann immer mehr zum
Mensch wird. Dass es lange dauert, bis es groß genug ist, um wieder aus dem
Bauch zu kommen. Dass es aus meiner Scheide kommen wird. Dass das sehr
anstrengend ist. Dass ich dabei komische Geräusche machen werde oder vielleicht
weine. Dass ich dazu eine Hebamme brauche, die mich unterstützt. Dass das Baby
im Bauch im Fruchtwasser schwimmt und durch die Nabelschnur ernährt wird. Dass
es mit einer Plazenta mit mir verbunden ist und bei der Geburt nicht nur das
Baby, sondern auch die Plazenta aus mir heraus kommt. Und dass am Ende die
Nabelschnur durchtrennt wird.
Bis heute hat er
nicht gefragt, wie genau Papa seine Samenzelle in meinen Bauch gepflanzt hat.
Und deswegen weiß er
es auch nicht.
Aber nach all den
1000 Fragen, die mal angenehmer und einfacher zu beantworten waren und mal
unangenehmer und schwieriger, da bin ich recht entspannt und denke auch mit
dieser Frage komme ich noch klar.
Mein Kind ist nun im
Kindergarten und weiß so ziemlich alles über die Entstehung eines Kindes.
Bis vor einem Jahr
etwa unterrichtete ich noch an öffentlichen Schulen. Und ich muss sagen, dass
mein Sohn wahrscheinlich mehr über die genauen Vorgänge einer Schwangerschaft
weiß, als so mancher Achtklässler.
Und wen wundert es
da, dass ich in jedem meiner Schuljahre, die ich unterrichtet habe, ein
schwangeres Mädchen in einer 7. bis 10. Klasse hatte.
Meine Schwester ist
siebzehn und hatte in der Schule nie Sexualkunde. Es wurde dort nie über den
Zyklus gesprochen. Nie die Entstehung eines Kindes thematisiert. Und nie über
Verhütung aufgeklärt.
Wenn ich an meine
eigene Schulzeit zurück denke, so kann ich mich noch lebhaft an die Stunde im
Biologieunterricht erinnern. Wir sollten Sexualkunde haben und unsere Lehrerin
begann mit dem weiblichen Körper. Wir sahen einen Film über Brustkrebs. Und nach
15 Minuten brach sie den Unterricht ab, weil die Jungen in der Klasse bei jedem
Busen, der auf dem Bildschirm erschien, kichern mussten.
Wir erfuhren im
Unterricht also nie mehr, als dass man als Frau Brustkrebs bekommen könnte.
Über Sexualkunde
wurde nicht mehr geredet. Wir lernten dann etwas über Bäume.
Wenn es also die
Schulen nicht machen, wer wenn nicht wir Eltern?
Ich war ein erstes
Kind. Behütet und ganz sicher aufgewachsen. Der Fernsehkonsum wurde ganz strikt
vorgegeben, Bücher suchte meine Mama gezielt aus. Wie es halt bei ersten
Kindern so ist.
Mein erstes Wissen
über Sexualität lernte ich durch meine Mutter und das Buch von Janosch
"Mutter sag, wer macht die Kinder".
In den Kindergarten kam ich erst mit vier Jahren, da wusste ich wohl das
meiste schon. Aber mit einem sehr harmlosen und kindlichen Wissen.
Mein Bruder war ein
zweites Kind. Er bekam wohl auch irgendwann das Buch vorgelesen, aber er
brachte vor allem schon viel Wissen aus dem Kindergarten mit. Sein Wortschatz
umfasste mit fünf Jahren Wörter, die ich auch in der Grundschulzeit nie in den
Mund genommen habe.
Das schöne F-Wort
wurde zuhause mit besonderer Begeisterung am Esstisch losgelassen, um zu gucken
welche Reaktion damit zu erzielen war.
Meine Schwester dann
wurde natürlich vor allem durch mich und meinen Bruder aufgeklärt. Sie wusste
sehr früh was Sache ist und zwar im Detail. Wir machten uns als Kinder einen
riesen Spaß daraus ihr "verbotene" Wörter beizubringen und sie enttäuschte
uns nie.
Mit 4 oder 5 Jahren
saß sie am Esstisch und fragte ganz unschuldig: "Mama, wer liegt beim
ficken eigentlich oben?"
Meine Mutter
reagierte bei dem Thema übrigens immer sehr cool. Sie beantwortete ihre Frage
mit einem einfachen: "Das ist unterschiedlich. Mal die Frau und mal der
Mann. Und "ficken" möchte ich am Tisch nicht hören!"
Unser in solchen
Situationen meistens anwesender Besuch (denn ohne Zuschauer macht das ja keinen
Spaß) saß dann meist mit offenem Mund am Tisch und vergaß ein paar Minuten das
Essen.
Im Nachhinein finde
ich es gut, wie meine Eltern mit dem Thema umgegangen sind. Es wurde nie ein
riesen Wind darum gemacht. Aber auch nie zum Tabu erklärt. Ernsthafte Fragen
wurden uns zu jeder Zeit ehrlich und einfach beantwortet. Provokationen von uns
wurden meist ignoriert oder eben bestimmte Wörter abgelehnt und uns dafür eine
Alternative gegeben.
Klar, als ich in die
Pubertät kam, da gab es dann auch eines dieser peinlichen
"Weißt-du-alles-was-du-wissen-musst?-Gespräche" mit meiner Mama, als
ich meinen ersten Freund kennen lernte.
Aber das ist wohl
ganz normal.
Auf die Schulen kann
man bei dem Thema nicht bauen. Oft wird das Thema komplett übersprungen oder
nur schnell und peinlich berührt angeschnitten.
Es bleibt also an
den Eltern die Kinder aufzuklären.
Und da denke ich
sollten sich alle Eltern genau Gedanken darüber machen.
Wie schnell erzählt
man Kindern, weil einem die Frage unangenehm ist, irgendwelchen Schmarrn.
Meine beiden
jüngsten Schwestern haben eine andere Mutter.
Als ich mit meinem
Sohn schwanger war, saß meine damals 2,5-jährige Schwester auf meinem Schoß und
hatte Fragen. Ich antwortete ganz einfach und ehrlich.
Wenig später erfuhr
ich, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass Kinder im Bauch
wachsen.
Meine Stiefmutter
hatte ihr bisher erzählt, dass der Storch die Kinder bringt.
Es folgten dann
natürlich ein paar Wochen mit "unangenehmen" Fragen, da sie jetzt nun
alles ganz genau wissen wollte.
Aus lauter
Peinlichkeit wurde ihr dann damals erklärt, dass die Kinder von einem Arzt mit
dem Messer aus dem Bauch geschnitten werden.
Meine Schwester
glaubt noch heute, dass der einzige Weg ein Kind zu bekommen ein Kaiserschnitt
ist.
Was also wird sie
erwarten, wenn sie als Erwachsene selbst ein Kind erwartet?
Wird sie dieses
erste Wissen so prägen, dass sie eine natürliche Geburt gar nicht in Betracht
zieht?
Was für einen
Einfluss wird es auf ihre eigene Schwangerschaft und Geburt haben, wenn sie
erst im Erwachsenenalter erfährt, dass Kinder eigentlich aus der Vagina geboren
werden?
Aufklärung beginnt
nicht erst mit einem peinlichen und unangenehmen Gespräch zu Beginn der
Pubertät, bei dem die Eltern rot werden und nicht wissen was sie sagen sollen
und die Kinder gar nicht zuhören wollen, weil sie lieber im Boden versinken
würden.
Aufklärung beginnt
schon in dem Moment, wo mein Kleinkind bemerkt, dass Mama und Papa
unterschiedlich sind.
Aufklärung beginnt,
wenn ich meinem Kind sage, wie sein Geschlechtsteil heißt. Wenn ich mit ihm
thematisiere, dass es ein Junge oder ein Mädchen ist. Wenn es feststellt, dass
die Geschlechter unterschiedlich sind.
Aufklärung ist ein
Prozess und wie viel ein Kind wann lernt, sollte man vielleicht einfach vom
Wissensdurst des Kindes abhängig machen.
Peinliche
Situationen mit Kindern kann man nicht vermeiden.
Auch mein Sohn
schaffte es schon mir bei diesem Thema die Schamesröte ins Gesicht zu treiben.
Wir standen im
Supermarkt. Ich bücke mich und stöhne, weil mir der inzwischen wachsende Bauch
im Weg ist. Er schaut mich an, dann die Frau neben uns und erklärt ihr:
"Meine Mama hat
ein Baby im Bauch! Das muss wachsen und dann kommt es raus! Durch ihre Scheide!
Die ist da!" Und deutet zwischen meine Beine.
Aber um noch einen
drauf zu setzen, ergänzt er dann ganz lapidar:
"Aber dann
müssen wir noch warten, bis die Plazenta rausgekommen ist. Erst dann kann ich
die Nabelschnur durchschneiden!"
Die Dame schaute
doch recht irritiert, erst zu ihm, dann zu mir.
Jap. Mein Kind ist
ein Klugscheißer.
Aber zumindest weiß
er, wie es eigentlich läuft.
Dieses erste
selbstverständliche und natürliche Wissen, was Kinder anhäufen, prägt sie
meiner Meinung nach ganz gewaltig.
Und vieles was wir
als Kinder nicht oder falsch lernen, prägt auch unsere Sicht als Erwachsene.
Klar können wir dann
reflektieren und uns auch bewusst machen, dass manche Dinge anders sind, als
wir dachten.
Aber wird ein Kind,
was in seinem kindlichen Wissen immer glaubt, dass man für eine Geburt einen
Arzt mit Messer braucht, später mit einem natürlichen Selbstverständnis eine
spontane Geburt planen?
Wird ein Kind, dem
von Anfang an vermittelt wird, dass Sexualität etwas Schlechtes, Schmutziges
oder Unangebrachtes ist, später, wenn es wichtige Fragen hat, diese auch
stellen?
Ist es nicht unsere
Verantwortung als Eltern unsere Kinder zu einem selbstbewussten Umgang mit
ihrem Körper zu erziehen?
Und gehört dazu
nicht auch, der natürliche und ungezwungene Umgang mit der Sexualität?
Ich weiß nicht, wann
die Frage kommen wird und ich weiß auch noch nicht, wie ich sie beantworten
werde.
Es gibt da wohl
keinen Masterplan.
Aber ich werde es
weiterhin so halten wie bisher.
Jede Frage wird
beantwortet.
Ehrlich, in
einfachen Worten, so dass er es versteht.
Aber nicht jede
Frage wird an Ort und Stelle und sofort beantwortet.
Im Supermarkt an der
Kasse vor 10 Leuten werde ich auch weiterhin nicht antworten, wenn mein Sohn
provokativ fragt: "Mama, hast du eine Scheide oder einen Penis?"
"Das erkläre
ich dir zuhause!"
Ich finde es klasse, dass ihr so unverkrampft über das Thema mit euren Sohn sprecht. Ich war etwas schockiert, dass der Sexualkunde-Unterricht heute so wenig thematisiert wurde. Bin 24 und kann mich noch dunkel erinnern, dass wir die Sekundärmerkmale, weiblicher Zyklus und Verhütungsmethoden durchgenommen hatten. Ich frag mich aber echt, wie viel davon hängen bleibt. Beispielsweise kenne ich einen Vater, der erst beim Windeln seiner Tochter erfahren hat, dass bereits bei Geburt alle Geschlechtsmerkmale ausgebildet sind. Er dachte bis dahin, dass das erst während der Pubertät geschieht. Ich frage mich echt, was das für eine komische Gesellschaft ist. Auf der einen Seite sieht man überall Sex und Nacktheit in Funk und Fernsehen, es werden über Sexpraktiken ganze Bücher gelesen und Filme produziert. Und auf der anderen Seite schämen sie sich, in einfachen Worten den Vorgang des Lebens zu schildern (bezogen auf die Sache mit dem Klapperstorch). Ich finde es wirklich bewundernswert, wie ihr damit umgeht. Weiter so!
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